Das Recht auf Behandlung mit KI und der Zugang zu intelligenten Medizinprodukten
von Mert Kaya
Mögliche Herausforderungen
In den letzten Jahren hat die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) erhebliche Fortschritte gemacht, was in der Medizin Hoffnungen auf ein neues Zeitalter der Automatisierung und Optimierung weckt. Mit dem Inkrafttreten des Digital-Gesetzes (DigiG) am 26. März 2024 steht das deutsche Gesundheitssystem vor einer bedeutsamen Veränderung.
Diese Gesetzesnovelle zielt darauf ab, die Integration und Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen zu verbessern und deren Erstattungsmechanismen zu optimieren. Die rasanten Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz versprechen eine neue Ära der Automatisierung und Optimierung in der Medizin. KI-Systeme haben das Potenzial, große und komplexe Datenmengen zu analysieren und neue Muster sowie Korrelationen zu erkennen. Dies macht sie besonders wertvoll für die Gesundheitsversorgung, von der Anamnese und Diagnose bis hin zur Therapie.
Die Einführung intelligenter Chatbots und Apps bietet den Patient:innen einen stets verfügbaren Zugang zu medizinischer Hilfe, etwa zur Unterstützung bei psychologischen Behandlungen. Auch im Bereich der medizinischen Hilfsmittel zeigt sich das Potenzial der KI: KI-gestützte Exoskelette können Menschen mit Gehbehinderungen wieder Mobilität verschaffen, während KI-basierte Assistenzsysteme bei chirurgischen Eingriffen mögliche Komplikationen vorhersagen und so das OP-Management verbessern und Leben retten können.
Die Auswertung medizinischer Bildaufnahmen ist ein weiteres Anwendungsgebiet, in dem KI-Systeme bereits heute den Menschen überflügeln. Ärzte müssen nicht mehr stundenlang MRT- und CT-Bilder auf Krebsgewebe untersuchen, da Algorithmen dies inzwischen effizienter und präziser erledigen können. Angesichts dieser Potenziale ist es nicht verwunderlich, dass Patient:innen zunehmend eine Behandlung mit KI fordern.
Die gesetzlichen Regelungen des DigiG tragen dieser Entwicklung Rechnung, indem sie den Zugang zu intelligenten Medizinprodukten erleichtern und deren Erstattungsfähigkeit erweitern.
Gibt es ein Recht auf die Behandlung mit KI?
Trotz der Vorteile von KI in der Medizin stellt sich die Frage, ob Patient:innen ein Recht auf Behandlung mit KI haben. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung erfolgt in Deutschland in der Regel über Haus- oder Fachärzte, die ersten Ansprechpartner:innen für eine mögliche Behandlung mit intelligenten Medizinprodukten. Ein zentrales Thema ist dabei das Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstbestimmungsrecht von Patient:innen und der ärztlichen Therapiefreiheit.
Ein Behandlungsvertrag zwischen Mediziner:in und Patient:in bildet die Grundlage für jede medizinische Maßnahme. Während Patient:innen das Recht haben, über ihre Behandlung zu entscheiden, können sie keine spezifische Behandlungsmethode einfordern. Die ärztliche Therapiefreiheit schützt Ärzte davor, Methoden anwenden zu müssen, die sie für ungeeignet halten. Nur wenn neue Behandlungsmethoden als medizinischer Standard anerkannt sind, besteht eine Verpflichtung, diese anzuwenden.
Die Integration intelligenter Medizinprodukte in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hängt stark von deren Kosten und dem medizinischen Nutzen ab. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewertung und Zulassung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Bislang gibt es jedoch nur wenige KI-gestützte Anwendungen, die offiziell anerkannt sind. Für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) existiert ein spezieller Rechtsrahmen, der ihren Einsatz unter bestimmten Bedingungen erlaubt.
Die Frage, ob ein begrenzter Zugang zu KI-gestützten Behandlungen verfassungswidrig ist, bleibt offen. Das Bundesverfassungsgericht hat Grundrechte abgeleitet, die den Staat verpflichten könnten, den Zugang zu notwendigen Mitteln zu gewährleisten. Allerdings sind innovative Technologien derzeit noch nicht als unbedingt erforderlich für die Grundversorgung anerkannt.
Ein Ausnahmefall könnte bestehen, wenn etablierte Behandlungsmethoden fehlen und eine KI-Behandlung eine realistische Heilungschance bietet.
Fazit
Der Zugang zu intelligenten Medizinprodukten und das Recht auf KI-Behandlung sind komplexe Themen, die sowohl technische, medizinische als auch rechtliche Herausforderungen mit sich bringen. Während KI in der Medizin erhebliches Potenzial bietet, stehen der breiten Anwendung noch finanzielle, regulatorische und ethische Hürden im Weg.
Der technologische Fortschritt und die gesellschaftlichen Entwicklungen werden jedoch in Zukunft eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie diese neuen Technologien in die Gesundheitsversorgung integriert werden.